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Dienstag, 5. Februar 2019





STURMFREI




du meine Güte, wer und was rennt so schnell, und vor allem, wohin. 

Ist doch schon unfassbar Februar, wo ich den Jänner gefühlt noch gar nicht richtig erlebt habe, im Plan gleich zu Beginn einen Rück- und Ausblickspost schreiben, so viele Worte wollten in die Welt, dann waren wieder andere Dinge vordergründig und so vergingen die Tage und damit auch die kreative Lust.

Von rennen, geschweige denn fahren, war im Jänner oft nicht die Rede, wir hatten hier bis zu 60 cm Schnee und das nicht mal richtig am Berg. Wir wohnen ca. 450 m hoch.
Doch die Strasse hat so ihre Tücken, glücklicherweise schaffen es bis zu unserer Einfahrt die meisten noch, danach ist für viele Autos Schluss.
Da stehen sie dann quer, kommen nicht mehr vor und zurück und müssen warten, bis die Schneeräumung da war.
Dramen haben sich vor unseren Fenstern hier schon abgespielt.






Endlich mal ein richtiger Winter, so wie ich ihn aus meinen Kinder- und Jugendtagen kenne.

Ich liebe das, wobei es in den Bergen schon auch bedrohlich werden kann. Aber, wenn man mit den älteren Menschen spricht, sind sie meist entspannt, weil es auch für sie nichts  Neues ist, tagelang eingeschneit zu sein.




Aber die Menschen heute mögen Katastrophenmeldungen und Drama. Alles wird zu einem großen Problem aufgebauscht, wo eigentlich keines ist. Außer, dass die Wintertouristen nicht nach Hause fahren können.
Ist ja vielleicht nicht immer die schlechteste Variante, ein paar zusätzliche freie Tage.




Der Blick von oben ist etwas Besonderes, er schafft mir immer Distanz zu der Welt da unten, alles ist leichter, freier und ruhiger. Ich verstehe mittlerweile die Menschen, denen die Berge eine unerschöpfliche Kraftquelle sind, halt ganz anders als das Meer, aber ebenso stark.








Mitte Jänner hat unsere Nachbarin geheiratet - unsere Tochter war Trauzeugin - und mein Mann und ich glücklicherweise auch eingeladen.

Eine Winterhochzeit ist sehr speziell, aber auch speziell schön, vor allem, wenn sie hoch oben auf den Bergen in einer kleinen Bergkirche stattfindet, bei minus 10 Grad und Wind.

Alle dick eingepackt, inclusive Braut, die unter ihrem selbst genähten Brautkleid Schiunterwäsche trug, aber es war sehr malerisch.

Glühwein statt Prosecco hat schon was bei einer Hochzeit.




Die Bilder sind übrigens vom Bus aus entstanden, deshalb gibt es komische Spiegelungen, doch der Eindruck von der tief verschneiten Landschaft ist schon atemberaubend.


Gargellen ist ein kleines Bergdorf in 1.500 m Seehöhe, urkundlich erstmals 1411 erwähnt. Schon lange zuvor war das Gargellental aufgrund eines Saumpfades über das Schlappiner Joch verkehrstechnisch von Bedeutung.

1615 wurde die Kirche erbaut und seit 1844 leben auch ganzjährig Menschen da.




So schön es auch ist, aber mehr als ein paar Tage möchte ich hier nicht leben, geschweige denn, mir vorstellen, wie das Leben vor ein paar hundert Jahren mühsam gewesen sein muss und wie bedrohlich.






Wenn ich meine Ausblicke zu Hause und die vielfältigen und oft spektakulären Stimmungen sehe, bin ich sehr sehr glücklich, vom Leben an diesen Ort geschickt worden zu sein.





Immer wieder höre ich, wenn Menschen unsere Aussicht bewundern, dass es so schön ist, aber auch alltäglich wird, wenn man es dauernd hat.

Also das mag für viele so stimmen, auf mich trifft es keineswegs zu.

Oft lasse ich alles liegen und stehen, schnappe die Kamera, oder zumindest das Handy, und fotografiere das, was mich im Moment fasziniert, und das ist beinahe täglich irgendwas, außer es ist von morgens bis abends grau in grau.

Es ist nach einigen Jahrzehnten immer noch nicht selbstverständlich für mich und ich kann mich an den vielfältigen Stimmungen freuen wie ein Kind.





Selbst die morgendliche Fahrt auf den Berg mache ich immer öfters,  ein wenig noch innehalten, bevor der Tag richtig loslegt mit dem Alltagskram.








Der Februar hat ganz nach meinem Geschmack gestartet. Ich mag es, wenn der Schnee unter den Schritten knirscht, weil der Morgen mit Minusgraden beginnt, wenn der Horizont die Pastellfarben auspackt, der Schnee das Blau des Himmels speichert, wenn selbst die Seevögel still sind und alles ein wenig den Atem anhält, um dem Lautlosen zu huldigen.



Ah ja, es gibt ja noch den seltsamen Titel - sturmfrei.

Es ist das dritte Jahr, in dem mich ein Wort begleitet, von dem ich mich in den ersten Tagen des Jahres finden lasse.

2017 war es Widerstandslosigkeit, 
2018 Neufundland und
2019..........

STURMFREI

Es war nicht in den ersten Januartagen da, sondern bereits in der Rauhnachtszeit. 
Und ehrlich, ich habe etwas gehadert damit und wollte es eigentlich gar nicht annehmen.

Ich liebe Sturm, daher wusste ich erst nicht besonders viel anzufangen damit. Aber es hat sich dermassen aufgedrängt, dass ich mich damit befassen musste und ich mich mit ihm arrangieren konnte.

Sturmfrei muss nicht Windstille bedeuten, sondern ist der liebste Zustand aller Teenager. 
Es bedeutet Freiheit, schwerelos sein, Lebenslust pur, vielleicht auch mal verbotenes wagen, auf alle Fälle über die Grenzen gehen. So gefällt mir das.

Es kann aber auch einfach sturmfrei heißen. 2018 war ein sehr stürmisches Jahr, viele Höhen, viele Durststrecken und Tiefen. Alles hat mich weiter gebracht, aber nun darf es auch etwas ruhiger und konstanter werden.

Sturmfrei kann auch heißen, sich treiben lassen, ohne Disziplin im Gepäck.




Sehr ambivalent also, aber wenn ich sturmfrei mit allen Qualitäten nutze, die es beinhaltet, kann es richtig richtig gut werden.

Und ich freue mich drauf.